Erstmals Jungfernzeugung in Fruchtfliegen gelungen
Forscher haben erstmals die Jungfernzeugung bei einem Tier induziert, das normalerweise sexuelle Fortpflanzung praktiziert: die Fruchtfliege Drosophila melanogaster. Diese Fähigkeit wird von Generation zu Generation weitergegeben, sodass die Nachkommen entweder sexuell reproduzieren, wenn Männchen vorhanden sind, oder bei Abwesenheit von Männchen jungfräulich gebären können.
Einblicke in die Jungfernzeugung
Normalerweise erfolgt die Fortpflanzung bei den meisten Tieren durch sexuelle Befruchtung, bei der das Ei einer Weibchen durch die Samenzelle eines Männchens befruchtet wird. Jungfernzeugung oder „Parthenogenese“ ist der Prozess, bei dem ein Ei sich zu einem Embryo entwickelt, ohne dass es von einer Samenzelle befruchtet wird – ein Männchen ist nicht erforderlich. Die Nachkommen einer Jungfernzeugung sind keine genauen Klone ihrer Mutter, weisen jedoch eine hohe genetische Ähnlichkeit auf und sind immer weiblich.
Die bahnbrechende Studie
Forscher der Universität Cambridge haben es geschafft, Jungfernzeugung in Fruchtfliegen zu erzeugen, indem sie bestimmte Gene manipulierten. Dabei zeigte sich, dass die weiblichen Fliegen zunächst nach einem Männchen suchten, aber nach etwa 40 Tagen aufgaben und den Prozess der Jungfernzeugung einleiteten.
Eine Überlebensstrategie
Die Fähigkeit zur Jungfernzeugung könnte eine Überlebensstrategie sein: Eine einmalige Generation von Jungfernzeugung kann dazu beitragen, dass eine Spezies weiterhin bestehen bleibt. Wenn Männchen nicht verfügbar sind, könnten die Weibchen auf diese Methode zurückgreifen.
Genetische Grundlage der Jungfernzeugung
Entschlüsselung der Gene
Um diese Ergebnisse zu erzielen, sequenzierten die Forscher zunächst die Genome zweier Stämme einer anderen Fruchtfliegenart namens Drosophila mercatorum. Ein Stamm benötigt Männchen, um sich fortzupflanzen, während der andere ausschließlich durch Jungfernzeugung reproduziert. Die Forscher identifizierten die Gene, die ein- oder ausgeschaltet wurden, wenn die Fliegen sich ohne Väter fortpflanzten.
Übertragung der Fähigkeit
Mit den identifizierten Kandidatengenen für die Jungfernzeugungsfähigkeit in Drosophila mercatorum veränderten die Forscher die entsprechenden Gene in der Modellfruchtfliege Drosophila melanogaster. Und siehe da: Drosophila melanogaster erlangte plötzlich die Fähigkeit zur Jungfernzeugung.
Eine potenzielle Bedrohung für die Landwirtschaft?
Zunehmende Jungfernzeugung bei Insekten
Die Entdeckung dieser Fähigkeit in Fruchtfliegen wirft Fragen auf, warum Jungfernzeugung bei Insekten möglicherweise häufiger wird, insbesondere bei Schädlingsarten. Wenn sich der Selektionsdruck für Jungfernzeugung bei Insekten fortsetzt, könnten sie sich irgendwann ausschließlich auf diese Art fortpflanzen. Dies könnte zu einem ernsthaften Problem in der Landwirtschaft führen, da weibliche Schädlinge dann nur weibliche Nachkommen produzieren, was ihre Ausbreitung verdoppeln würde.
Perspektiven für die Zukunft
Die Hauptautorin Dr. Alexis Sperling, die diese Studie am Institut für Genetik durchführte, ist nun am Cambridge Crop Science Centre tätig und möchte in Zukunft die Gründe für die zunehmende Jungfernzeugung bei Insekten erforschen, insbesondere bei Schädlingsarten.
Ein Blick über die Grenzen der Jungfernzeugung
Ein seltener Vorgang
Während einige eierlegende Tiere, darunter Vögel, Echsen und Schlangen, natürlicherweise in der Lage sind, ohne Männchen zu gebären, ist Jungfernzeugung bei Tieren, die normalerweise sexuell reproduzieren, selten. Es wird oft nur bei Tieren in Zoos beobachtet und tritt normalerweise auf, wenn das Weibchen über einen langen Zeitraum isoliert ist und wenig Aussicht auf einen Partner hat.
Die bahnbrechende Studie, die in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht wurde, erforderte die Untersuchung von über 220.000 Jungfruchtfliegen und dauerte sechs Jahre, um abgeschlossen zu werden. Ein Schlüsselfaktor für diese Entdeckung war die Tatsache, dass die Untersuchung an Drosophila melanogaster durchgeführt wurde, einer Fliegenart, deren Gene seit über 100 Jahren sehr gut erforscht sind und die als „Modellorganismus“ in der Genetik gilt.
Diese Forschung eröffnet neue Einsichten in die Reproduktion von Tieren und ermöglicht es uns, die genetischen Grundlagen der Jungfernzeugung besser zu verstehen. Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich dieses Wissen in der Zukunft auf weitere Bereiche der Wissenschaft und Landwirtschaft auswirken wird. Die Entdeckung wirft auch ethische Fragen auf, da sie möglicherweise Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und die Landwirtschaft haben könnte. Weitere Studien werden sicherlich folgen, um die Auswirkungen und Anwendungsmöglichkeiten dieser faszinierenden Entdeckung zu erforschen.
Alexis L Sperling, A generic basis for facultative parthenogenesis in Drosophila, Current Biology (2023).
DOI: 10.1016/j.cub.2023.07.006 und www.cell.com/current-biology/f … 0960-9822(23)00913-2
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